2013 Gravity
Von Hubert Keßler
Gravity - Ein berauschender Film mit vielen Soundeffekten: was aber ist die Botschaft?
Astronaut Matt Kowalsky (Georg Cloony)wird kurz vor seinem Ruhestand das letzte Mal in den Weltraum geschickt. Begleitet
wird er von der Bio-Medizinerin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock), die hier ihre erste Erfahrung im Weltall sammeln soll.
Was routinmässig beginnt, wird zum Horrortripp.
Man brauchte zunächst einmal den Abstand zum Film, um ihn beurteilen zu können. Durch die Machart wird man als Zuschauer
in eine Spannung hineinversetzt, die es einem schier unmöglich macht, auch Betrachter zu bleiben.
Das Wort „Gravity“ gibt einem eine erste Orientierung in diesem Sog, der sowohl von den faszinierenden Bildern des
Kosmos als auch von dem Trudeln des Erschreckens angesichts der Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens ausgeht. Die
Existenz im Weltraum bildet die filmische Metapher dafür. Der Film verortet sich im Spiel zwischen der Schwerelosigkeit
des Weltraumlebens und dieser Schwerkraft (gravity) der Hinfälligkeit der menschlichen Existenz. Und letztere im
doppelten Sinne: Einerseits die Technik, die nicht alles im Griff haben kann und andererseits das Glück des Leben, das
man nicht festhalten kann.
- Die Technikverliebtheit und –verspieltheit – der Machart des Filmes –z.T. bis ins unrealistische verzerrt –
unterstreicht die technische Fragilität angesichts der anfliegenden Schrotteile eines zerstörten russischen Satelliten.
Fortschrittsgläubigkeit wird auf den Boden der Tatsachen heruntergeholt. Diesem Geschehen wird (etwas zu) viel Raum
gegeben.
- Die Geschichte von Stone, die ihr verlorenes Glück, den Tod ihrer Tochter Sara nicht loslassen kann und darum diese
Mission in einer Art Flucht angenommen hat. Angedeutet in einer kurzen Antwort, die sie Kowalski gibt:
„Matt Kowalski: “Mmm?” So what do you like about being up here?
Regie: She hesitates – trying sincerely to articulate her feelings as we GAZE down at the silent planet below.
Ryan Stone: The silence. (beat) I could get used to
it”. (http://zukunftsdrehbuch.wordpress.com/2014/03/30/gravity-das-drehbuch/)
Diese existentiellen Bedrohungen werden auf fesselnde Weise inszeniert und bilden wohl die zentrale Botschaft des
Filmes, welche Antworten jedoch gibt er durch die beiden Hauptpersonen:
Matt Kowalski will noch einen Rekord aufstellen, nämlich den für den längsten freien Flug eines einzelnen Menschen im
Weltraum. Es hat zunächst was lustig komisches, gewinnt aber in den Worten des Sterbenden was heroisch/zynisches.
Nachdem er die Leine gekappt hat, damit Stone überlebt, sagt er:
I’m going to break Anatoly’s record, and I think mine’s going to stand for a long, long time.
Ein uneigennütziges Lebensopfer, für das der aufgestellte Rekord niemals eine angemessene Antwort sein kann.
Daraufhin mutiert der Film beim Überlebenskampf von Ryan zum Selbstgespräch, durchbrochen durch viele symbolische
Andeutungen, unter anderem einem Christopherus und Buddha, in denen mögliche Antworten aufscheinen könnten, die jedoch
letztlich unerreichbar sind. Das zeigt der kurze Gedanke von Ryan Stone:
RYAN (CONT’D)
But the thing is… I’m still scared. (ängstlich) I’m really scared…
Regie: She rolls in space and stares upwards…
RYAN (CONT’D)
No one will mourn me. No one will pray for my soul. Will you mourn me, Aningang? Is it too late to say a prayer? I’d say
one for myself, but I have never prayed in my life… no one
ever taught me how…
Regie: The tune is lyrical and soothing, tinged with a touch of melancholy.
RYAN (CONT’D)No one ever taught me how…
So zeigt der Film auf durchaus geniale Weise letztlich den ´modernen Menschen`, der zwar durch mancherlei existentielle
Herausforderungen grundlegend menschliche Fragen wiederentdeckt, jedoch letztlich keinen Weg kennt, diese Spur
aufzunehmen und ihr zu folgen. Als gäbe es eine Schwerkraft, die diese Fragen und diesen Weg nicht zulässt. So ist die
Schlussszene des Filmes geradezu symbolisch: Der Mensch befindet sich mit Ryan im Landeanflug zur Erde auf der Ebene
eines „pragmatischen try and error“, der dann halt irgendwie überlebt.
Übersetzt man das Wort Gravity mit Gravität im Sinne von Ansehen und Würde, so fällt einem ein Steve Macquin ein, der
den Skalven Northup sagen lässt: “Ich will nicht bloß überleben, ich will leben.”
Hubert Keßler