Die Frau mit den fünf Elefanten
Von Hubert Keßler
Mit diesem Gedicht beginnt Svetlana Geier in dem Film „Die fünf Elefanten“ von Vadim Jendreyko ihre eigene Geschichte zu erzählen. Damit wird der Akzent von Seiten des Regisseurs gesetzt, wie er vor der Person Svetlana Geier steht. Er bringt durch seine Kamera und seine zurückhaltenden Kommentare die Frau, das Zwiebelschneiden, ihre Übersetzungen und zugleich auch etwas von dem, was Dostojewski ist, zum Sprechen.
Fotoquelle:http://www.mirafilm.ch/filme/Die-Frau-mit-den-5-Elefanten
„Lieber Freund, siehst du denn nicht,
dass alles das, was unsere Augen schauen
nur Abglanz ist von Ungesehenem?
Lieber Freund, hörst du denn nicht,
dass alles was unsere Ohren hören,
nur ein Widerhall ist, ein entstellter Widerhall
von triumphierenden Harmonien?
Lieber Freund, spürst du, ahnst du denn nicht,
dass es nur eins auf Erden gibt –
das ist das, was ein Herz dem anderen
in einem wortlosen Gruß sagen kann.“
Svetlana Geier
Mit diesem Gedicht beginnt Svetlana Geier in dem Film „Die fünf Elefanten“ von Vadim Jendreyko ihre eigene Geschichte zu erzählen. Damit wird der Akzent von Seiten des Regisseurs gesetzt, wie er vor der Person Svetlana Geier steht. Er bringt durch seine Kamera und seine zurückhaltenden Kommentare die Frau, das Zwiebelschneiden, ihre Übersetzungen und zugleich auch etwas von dem, was Dostojewski ist, zum Sprechen.
Obiger Text deutet jedoch ebenso an, was Svetlana Geier in ihrer Arbeit bewegt.
Ein jeder Text ist ihr wie ein Tischdecke, in der ein Faden neben vielen anderen gestrickt wird. „Man kann den Text nicht ausschöpfen, man entdeckt immer wieder Neues. Darum muss man ihn lesen lernen.“ Man möchte das als Lehrer heutzutage unmittelbar unterstreichen. Nicht interpretieren, zunächst hören und schauen und eben lesen lernen.
Und dabei, wie es ihre Lehrerin gesagt hat, die „ Nase hoch nehmen beim Übersetzen“,
um das Ganze vor Augen zu haben. Es genüge nicht, „von links nach rechts zu übersetzen“. Es gilt, den Text zu verinnerlichen.
Gegen Ende des Filmbeitrages wird sie gefragt, was sie am Übersetzen so fasziniere? „Es ist die Sehnsucht nach etwas, was sich mir entzieht, nach dem unerreichbaren Original und dem letzten Eigentlichen. .. Die Sehnsucht… ein fabelhaftes Wort“.
So eigen(willig) zuweilen die „große Dame“ in dieser Dokumentation auftritt, so menschlich zeigt sie sich im Blick auf ihren Sohn und die Jugendlichen. Bei einem Besuch in einer ukrainischen Schule erzählt sie den Jugendlichen einer 10. Klasse das Märchen eines Jungen, der einen sprechenden Hecht fängt, der ihm letztlich zu seinem Glück verhilft. „Ich wünsche euch, dass ihr einem solchen Hecht begegnet. Ein Fisch, der euch etwas sagt, das nur ihr versteht, gegen alle Gesetze der Natur und Wissenschaften und dass ihr den Mut habt, eurer inneren Stimme zu folgen, sogar wenn das heißt, gegen die vorherrschende Meinung zu handeln.“
Etwas von ihrer sympathischen demütigen Eigenheit zeigt auch die Bemerkung über ihre Übersetzertätigkeit der großen Romane Dostojewskis: „Man übersetzt das nicht ungestraft“ – man lernt für das Leben. Wie wahr das für sie ist, zeigt ihre Bemerkung gegen Ende.
Sie sitzt zu Tisch und sinniert mit ihrer Freundin über die Zwiebel, die sie schneidet. (Als Zuhörer denkt man sofort an die Kurzgeschichte über das Zwiebelchen bei Dostojewski, das ein Engel einer sehr giftigen Dame dieser als Rettungsanker aus dem Feuersee hingehalten hat.) „Die Zwiebel hat keinen Mittelpunkt… die Zwiebel hat ein Ziel… eine neue Zwiebel.“ So ist es auch in den Romanen Dostojewskis: „Es gibt immer eine Geschichte in der Geschichte, die unmittelbar mit der Handlung nichts zu tun hat, die aber wie ein Zwiebelchen in der Zwiebel ist.“ Und hier setzt sie mit den Vergleich mit dem Menschen an, „weil das Dasein des Menschen nicht das Ziel des Menschen sein kann… Es ist wie ein Weg zu etwas, das weiter geht“. „Das Dasein genügt nicht“, es öffnet sich ein Weg, der ein Ziel impliziert.
Man erinnert sich sofort an das Gespräch zwischen Christus und dem Großinquisitor in den Brüder Karamasow: „Das Geheimnis des menschlichen Seins besteht nämlich nicht darin, dass man lediglich lebt, sondern darin, wofür man lebt“. So versteht man, dass Swetlana Geier nicht nur schöngeistige Worte machte, sondern Dostojewski ihr Leben verändert hat.
Mit Dankbarkeit blicken wir auf die Begegnungen mit Frau Swetlana Geier zurück. Ein bisschen hat sie auch zu unserer Veränderung beigetragen. (Frau Swetlana Geier, gebürtig: Swetlana Michailowna Iwanowa; * 26. April 1923 in Kiew, Sowjetunion; † 7. November 2010 in Freiburg im Breisgau)
Weitere Informationen zu ihr unter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Swetlana_Geier
Hingewiesen sei auf den Dokumentarfilm „Die Frau mit den fünf Elefanten“.
http://www.5elefanten.ch/Swetlana_Geier
Anbei einige Fotos aus den Begegnungen mit ihr in Freiburg