Begegnung mit Bosbach auf der Baustelle
Von Keßler, Groos Diefenhard
Gespräch auf der Baustelle – Begegnung mit Wolfgang Bosbach
In welcher Gesellschaft wollen wir leben? – unter diesem Motto luden Kulturinitiative und einige lokale Freunde Wolfgang Bosbach zu einem Vortrag nach Bruchsal ein. Wolfgang Bosbach ist ein katholischer Politiker aus Bergisch Gladbach, der lange den Innenausschuss geleitet hat. Er war hoch angesehen wegen seiner Art, Politik zu betreiben, getragen vom christlichen Glauben. Dass seine Terminzusage mitten in die Krise der Ampelkoalition und damit in den Wahlkampf fiel, war nicht vorhersehbar.
Die Veranstaltung fand in einer Kirche statt. Die einleitenden Worte, dass die Baustelle in der Kirche symbolisch dafür stehe, dass die Kirche „ecclesia semper reformanda“ sei und das momentan auch für die Politik gelte, verband er mit den mahnenden Worten an die Kirche zur ökumenischen Zusammenarbeit. Unserer Bitte, beim Thema zu bleiben und keine Wahlkampfrede daraus zu machen, ist er gefolgt und haben die Medienvertreter in ihren Artikeln wohlwollend wahrgenommen.
Ein Politiker mit Prinzipien
Es war die Begegnung mit einem Menschen, der aus Überzeugung in die Politik gegangen ist, und seinen menschlichen Grundsätzen treu geblieben ist, auch wenn sie einige Male mit seiner Fraktion kollidierten. Zu seinen Grundsätzen zählt auch eine gewisse Haltung: „Politik wird nicht besser, wenn die Politiker schlecht gelaunt sind. Lassen sie uns gelassen bleiben!“ betonte er angesichts der aktuellen Entgleisungen im politischen Tagesgeschehen. „Wer eine andere Meinung hat als ich, ist nicht mein Feind. Er hat nur eine andere Meinung als ich“, und darum kann man mit ihm in der Sache mit großem Ernst streiten, aber so, dass man sich hinterher beim Biertrinken noch in die Augen schauen kann. „Otto Schily (SPD) war ein harter Knochen, aber er wusste, was ging und was nicht ging“. Nach Verhandlungen gab man sich die Hände und dann kam die Arbeit in der Fraktion. Er (CDU) erzählte von einer Einladung kurz vor Weihnachten von einem SPD-Ortsverband: ein wunderschöner Abend, weil da MENSCHEN zusammengesessen haben. Ein Mensch, der Politiker war und den Blick auf den Menschen nicht verlor.
Nähe zu den Menschen
Die Nähe zum Menschen spiegelte sich in der Tatsache wieder, dass er in seinem Wahlkreis landesweit mit der höchsten Stimmenzahl immer direkt gewählt worden ist. Kein „VOLKS-Politiker“ im Sinne des „Volkskanzler“ Kickel, sondern einer, der mit den Menschen lebte und mit ihnen sprach, zum Volk gehörte. Aus dieser Haltung lebt sein Wirklichkeitssinn, der seine politischen Überzeugungen durchdringt: Brauchen wir Flugtaxis für die Wenigen oder nicht doch mehr Busse, für die Landbevölkerung?
Das Problem der Migration führt er nicht polemisch ein. Er erzählt beispielhaft von den Erfahrungen des Vaters seines Schwiegersohnes aus der Türkei, der durch die Arbeit und durch die Solidarität der Arbeitskollegen sich sprachlich und menschlich integrierte. Es war keine staatsgeleitete Integration, sondern lief über ein gesundes gelebtes Miteinander. Und er fordert eine offene Diskussion angesichts staatlicher und behördlicher Überforderung, ohne Scheuklappen oder politischen Sprechverbote und betonte die notwendige Unterscheidung zwischen legaler und illegaler Migration. Immer mit der menschlichen Betonung: Nicht der Mensch ist Illegal, aber eventuell sein Aufenthaltsrecht.
Glaube als Quelle der Gelassenheit
Seine Haltung kommt nicht von ungefähr. In Interviews spricht Bosbach offen über seinen Glauben – insbesondere seit seiner Krebserkrankung. „Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand.“ Nach der Diagnose habe er mit Gott gehadert, inzwischen gebe ihm der Glaube jedoch Kraft. Diese Gelassenheit spiegelte sich auch in seinen politischen Einschätzungen wider.
Selbst ernste Themen verband er mit rheinischem Humor. Zum Fachkräftemangel etwa sagte er: „Der betrifft inzwischen sogar die Kriminalität: Kürzlich haben Diebe in Köln nicht den Geldtresor, sondern den Kontoauszugsdrucker gesprengt.“
Politik mit Augenmaß
In der anschließenden Diskussion zeigte sich immer wieder der Mensch hinter dem Politiker. Besonders deutlich wurde das beim Thema Selbstbestimmung. Während die Gender oder kulturelle Aneignung -Debatte ihn wenig beunruhige – „Wir lassen uns doch nicht vorschreiben, welche Kostüme wir an Karneval tragen dürfen!“ –, sei er besorgt über eine zunehmende Relativierung der Menschenwürde, insbesondere in der Abtreibungsdebatte: „Selbstbestimmungsrecht darf das Lebensrecht des Kindes nicht komplett überlagern. Das Ungeborene ist ein menschliches Wesen mit eigener Würde.“ Auch zum Zustand der politischen Kultur äußerte er sich kritisch. Vertrauen sei entscheidend: „Koalitionen funktionieren nur, wenn man sich aufeinander verlassen kann. Ohne Vertrauen kann man keine Regierung bilden.“ Kompromisse seien notwendig, wenn es keine Mehrheiten gebe. Der Titel eines seiner letzten Bücher lautet: „Wer glaubt uns noch? Warum Politik an Vertrauen verliert und was wir dagegen tun können.“ Seiner Meinung nach gibt es keine Politikverdrossenheit, sondern eine Politikerverdrossenheit – ein Unterschied, den er auch in seiner Analyse des Ampel-Kollapses hervorhob.
Verlässlichkeit als Prinzip
Verlässlichkeit ist für Bosbach nicht nur eine Forderung an andere, sondern eine Haltung, die er selbst lebt. Er hätte unseren Termin absagen können – angesichts des Wahlkampfes rechneten wir sogar mit einem Anruf. Und tatsächlich: Am Sonntag vor der Veranstaltung sprach er auf unseren Anrufbeantworter:
„Hier spricht Wolfgang Bosbach. Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Die schlechte zuerst: Ich muss spätestens um 20:40 aufbrechen. (Wir hatten bis 22:00 geplant.) Ich muss noch nach Marburg. Die gute Nachricht: Ich komme.“
Verlässlichkeit – und Entschiedenheit.
„Ein Politiker, der Zeuge von mehr Gelassenheit und Gottvertrauen auch in schwierigen Umständen war, der gelebten Respekt im Miteinander praktizierte. Er zeigte Verlässlichkeit und einen Realismus im Angehen von Problemen, verbunden mit einem überzeugenden Ja zur Würde eines jeden Lebens.“
Es war eine Begegnung, die auch unter uns in der Vorbereitung zur Begegnung wurden. Sie führte zu einem persönlichen Nachdenken über Politik-Verständnis und Freude machte.
Ich will das nächste Mal unbedingt wieder mitmachen, schrieben mir einige, die keine Mitglieder von Kulturinitiative waren und das erste Mal dabei waren. Die Rückmeldungen, außer einem anonymen Brief waren durchweg positiv und dankbar.
Hubert Keßler
Adolf Diefenhard
Maria Groos